Gesund bleiben und mit Freude in der Kinder- und Jugendarbeit arbeiten: Wie gehe ich mit sekundär Traumatisierung um?

In der offenen Kinder- und Jugendarbeit stehen Fachkräfte oft in engem Kontakt mit jungen Menschen, deren Lebensrealitäten von belastenden Erfahrungen geprägt sind – seien es familiäre Konflikte, Armut, Fluchterfahrungen oder Gewalterlebnisse. Diese Arbeit verlangt ein hohes Maß an Empathie, Beziehungsarbeit und emotionaler Präsenz. Gerade weil die offene Kinder- und Jugendarbeit ein niedrigschwelliges, freiwilliges und vertrauensbasiertes Angebot darstellt, entsteht häufig eine besondere Nähe zwischen den pädagogischen Fachkräften und den jungen Menschen.

Diese Nähe kann jedoch auch zur Belastung werden: Wenn Fachkräfte regelmäßig mit Erzählungen von Leid, Traumata oder chronischen Krisen konfrontiert sind, kann dies zu sogenannten sekundären Traumatisierungen führen. Dabei handelt es sich um psychische und emotionale Reaktionen, die durch die wiederholte Konfrontation mit den traumatischen Erlebnissen anderer Menschen ausgelöst werden – ohne dass man selbst unmittelbar betroffen ist.

Sekundäre Traumatisierung ist in sozialen und pädagogischen Arbeitsfeldern ein reales Risiko, das lange wenig beachtet wurde. Umso wichtiger ist es, dieses Thema in der offenen Kinder- und Jugendarbeit sichtbar zu machen – zum Schutz der Fachkräfte und zur Sicherung einer langfristig tragfähigen Beziehungsgestaltung mit den jungen Menschen.

Im folgenden Video wird anschaulich erläutert, was sekundäre Traumatisierung bedeutet, wie sie sich äußern kann und welche Möglichkeiten es gibt, präventiv und unterstützend damit umzugehen.

Handout zum Vortrag

Am 28.03.2025 hielt Marianne Herzog im Plenum einen Input zum Thema Sekundär Traumatisierung. Das Handout von Marianne Herzog könnt ihr hier herunterladen.

Hinweise für Fachkräfte

  • Regelmäßige Selbstreflexion einplanen

    • Tagebuch führen oder kurze Reflexionsnotizen nach belastenden Gesprächen

    • Fragen: Was hat mich berührt? Was hat mich belastet? Wie geht es mir gerade wirklich?

  • Supervision und kollegiale Beratung nutzen

    • Regelmäßige externe Supervision ermöglicht professionelle Entlastung und neue Perspektiven

    • Kollegiale Fallbesprechungen schaffen Raum für Austausch und Solidarität im Team

  • Psychoedukation im Team etablieren

    • Gemeinsames Wissen aufbauen über Trauma, sekundäre Traumatisierung und Resilienz

    • Schulungen oder Inputs zu psychischen Belastungen in der pädagogischen Arbeit organisieren

  • Professionelle Abgrenzung stärken

    • Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben bewusst ziehen 

    • Eigene Rolle klären: Ich begleite – aber ich bin nicht verantwortlich für das ganze Leben des jungen Menschen.

  • Selbstfürsorge aktiv und regelmäßig gestalten

    • Feste Zeiten für Entspannung, Bewegung und soziale Kontakte einplanen

    • Atemtechniken, Achtsamkeitsübungen oder kreative Aktivitäten zur eigenen Stabilisierung

  • Emotionale Erste Hilfe im Alltag

    • Kurzrituale nach schwierigen Gesprächen: z. B. frische Luft, Musik, bewusstes Durchatmen

    • „Notfall-Anker“ im Team einführen – z. B. ein kurzer Satz oder ein Gegenstand, der innerlich stabilisiert

  • Warnsignale frühzeitig erkennen

    • Erhöhte Reizbarkeit, Schlafprobleme, Rückzug, Zynismus oder Erschöpfung ernst nehmen

    • Frühzeitig Unterstützung suchen – Belastung ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck von Mitgefühl

  • Kultur der Achtsamkeit im Team fördern

    • Offene Gesprächskultur über Belastungen und psychische Gesundheit fördern

    • Raum für Humor, Entlastung und gegenseitige Wertschätzung schaffen